Die Wirtshäuser sind von jeher ein sozialer und geselliger Ort. Der Wirt und sein Gasthaus sind zentraler Ort im Gemeinschaftsleben, wo man sich trifft, diskutiert oder musiziert. Mit der Zeit ging diese gesellschaftliche Aufgabe mehr und mehr verloren.
In der Steiermark startete 1980 das Projekt „Wieder aufspielen beim Wirt“, um Musikanten und Zuhörer und damit Geselligkeit und Lebensfreude wieder zurück ins Wirtshaus zu holen.
Nach dem Vorbild unserer Nachbarn beschloss im Jahr 1996 der Arbeitskreis „Musikantenfreundliches Wirtshaus“ auch in Bayern mit einem solchen Projekt zu starten und interessierten Gastbetrieben das Prädikat „Musikantenfreundliches Wirtshaus“ zuzuerkennen. Damit werden Wirte ausgezeichnet, die in ihren Räumen gerne Sänger und Musikanten zu Gast haben.
Die Musikanten singen und spielen nach vorheriger Absprache mit dem Wirt traditionelle Musik und bekommen als Gegenleistung eine Brotzeit und Getränke. Der Wirt kann das freie Singen und Musizieren unterstützen, indem er ein Instrument in der Wirtsstube bereit hält.
Bei dieser Aktion handelt es sich um keine Veranstaltung mit fest engagierten Gruppen und auch nicht um Vorführungen von Volksmusik, sondern um lebendiges Singen und Musizieren, von dem beide Seiten etwas haben: Die Wirte eine gute Atmosphäre und damit einen guten Ruf, die Musikanten eine Möglichkeit, ihre „Proben“ aus dem Wohnzimmer in einen halböffentlichen Raum zu verlegen, in dem nicht das perfekte Singen und Musizieren erwartet wird sondern lebendige musikalische Unterhaltung.
Wirte freuen sich über neue Gäste, Musikanten über neue Spielmöglichkeiten und Gäste über die Rückkehr von Traditionen
„Musikantenfreundliches Wirtshaus“ heißt eine nicht nur volksmusikalisch ausgerichtete Veranstaltungsform des freien Laienmusizierens in Bayern. Vorbild dafür ist das Projekt „Musikantenfreundliche Gaststätte“ des Steirischen Volksliedwerkes. Seit 1980 werden steirische Wirte ausgezeichnet, bei denen laufend musikalische Begegnungen stattfinden und die sich für die dörfliche Musikkultur einsetzen.
Hinter dieser Aktion steckt die Idee, die „autonome musikalische Selbstversorgung in Gaststätten“ und das „freie, aus der Emotion geborene Singen und Musizieren zur eigenen Unterhaltung und Entfaltung, fern von Programmabläufen und Fremdbestimmung“ und weg von einer erstarrten Bühnenkultur zu fördern – im Wissen um das Bedürfnis nach eigener musikalischer Betätigung der Menschen.
Das Wirtshaus als Ort der Begegnung und Kommunikation eines Ortes ist der ideale Rahmen dafür. Sänger und Musikanten spielen ohne Bühne und ohne Gage, allein für Getränke und eine Brotzeit zum eigenen Vergnügen und zur Unterhaltung der Gäste. Sie sitzen meist unter den Gästen, die Polarität – hier Künstler, dort Publikum – ist aufgehoben, die Grenze fließend, die Gäste können mitsingen oder mitmusizieren. Im Gegensatz zu organisierten Treffen im Sinne von Veranstaltungen entwickelt sich der Ablauf eines solchen Abends aus dem Engagement und dem Interesse aller Anwesenden. Die Musiker lernen den Verlauf eines Abends selbst in die Hand zu nehmen, ohne Moderator oder Veranstalter im Hintergrund, und auf das Publikum zu reagieren. Sie sind auch musikalisch ganz anders gefordert als auf der Bühne. Fähigkeiten wie Begleiten nach Gehör oder Singen in freier Mehrstimmigkeit sind ganz wichtig im spontanen Zusammenspiel.
„Musik beim Wirt“ ist keine neue Erfindung, aber vielerorts ist das freie Singen und Musizieren aus den Gaststuben verschwunden und nicht mehr selbstverständlich.
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